Welcome to Reality: Demo gg. GES& IfW in Kiel

Originalartikel unter Indymedia


Ein Tag vor dem Beginn des ‚Global Economic Symposiums (GES)’ in Plön (siehe auch http://de.indymedia.org/2009/09/260108.shtml & http://de.indymedia.org/2009/09/259954.shtml) zog eine lautstarke und kämpferische antikapitalistische Demonstration vom Hauptbahnhof zum ‚Institut für Weltwirtschaft (IfW)’, dem Hauptausrichter des GES. Die Demonstration stellte den offiziellen Auftakt der Aktionstage dar, zu denen die GES-Protestkoordination ( http://ges-ploen.blogspot.com/) im Rahmen ihrer Kampagne „Welcome to Reality! Abolish Capitalism- Die Ideologiemaschinerie des Global Economic Symposiums sabotieren!“ aufgerufen hat.
Früh wurde deutlich, dass die Polizei mit starken Kräften vor Ort auftreten würde. Ein Konvoi aus etwa 15 Einsatzwägen fuhr um ca. 16:30 Uhr in die Schleswig-Holsteinische Landeshauptstadt ein, um die dortigen Einsatzkräfte zu verstärken. Als sich um 18:00 Uhr die TeilnehmerInnen der Demonstration am Vorplatz des Hauptbahnhofes versammelten, ließ sich dieses Aufgebot an Polizei nicht mehr rechtfertigen. Mit 135 TeilnehmerInnen wurde ein Ziel der langen und ausführlichen Mobilisierung der GES-Protestkoordination, nämlich deutlich mehr Menschen als im letzten Jahr ( http://de.indymedia.org/2008/09/226330.shtml) auf die Straße zu bringen, an diesem Ersten der vier Aktionstage nicht erreicht. Dies tat nach einem kurzen ernüchterten Schlucken der Stimmung auf der Demonstration jedoch keinen Abbruch. Die TeilnehmerInnen skandierten von Anfang bis Ende der langen Strecke motiviert Sprechchöre, die sich gegen das herrschende Wirtschaftssystem richteten und den Aufbruch zu einer Revolte für eine befreite, emanzipierte Gesellschaft proklamierten. Die GES-Protestkoordination legte in den Redebeiträgen, die auf Zwischenkundgebungen sowie auf der laufenden Demo gehalten wurden, Schwerpunkte auf die „unübersehbaren Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft“ (Aufruf zu den Aktionstagen http://ges-ploen.blogspot.com/search/label/Aufruf). Die militarisiert/privatisierte, menschenverachtende und nicht selten tödliche Migrationspolitik der EU-Staaten wurde in der ersten Rede vor der Kieler Behörde für Ausländerfragen thematisiert. Ergänzt wurde diese durch eine kurze Darlegung der GES Agenda „Making Migration Work“, in der Computer erstellte Prognosen die verträgliche Anzahl von Flüchtlingen für die Ökonomien der Zielländer festlegen; Ökonomien, deren Problem nicht eine Knappheit an Gütern ist, sondern umgekehrt eine enorme Überproduktion. Während auf der einen Seite niemand weiß, wohin der ganze Wohlstand soll, wird auf der anderen Seite künstlich Armut und Mangel geschaffen, und an diesen unsinnigen Verhältnissen eine pseudo rationale Begründung zur „Regulierung“ - also Repression- von Migration und MigrantInnen ausgerichtet. Darüber hinaus propagiert das GES die weitere Einbeziehung privater Unternehmen in die Migrationspolitik der Staaten. Die „Agentur“ Frontex, deren Machenschaften in der Rede thematisiert wurden, ist ein Beispiel für diese sich immer weiter pervertierende Entwicklung. Von dort aus Zog die Demonstration, an deren Spitze sich ein ansehnlicher Block mit Transparenten an beiden Seiten gebildet hatte, mit lauten Sprechchören, musikalischer Untermalung und kurzen Grüßen vom Lautsprecherwagen an die PassantInnen durch die Kieler Innenstadt. Fleißige VerteilerInnen brachten den Aufruf der GES-Protestkoordination unter die vorbeigehenden Menschen. Auf der Höhe des Dreiecksplatzes hielt die Kieler Freie Arbeiter- und Arbeiterinnen Union (FAU - http://www.fau.org/ortsgruppen/kiel/) auf der laufenden Demonstration einen Redebeitrag, in der in erster Linie auf die enorme Zunahme von Zeit- und Leiharbeit Bezug genommen wurde. Dies sei Resultat einer – das gesamte GES durchdringenden – bürgerlichen Ideologie, die Lohnarbeit als Sinn und Zweck menschlicher Existenz definiert und so jedes noch so mieses Beschäftigungsverhältnis als Glücksfall interpretiert, wenn durch dieses Arbeitslosigkeit verhindert werden kann. Gleichzeitig sind Zeit- und Leiharbeitsfirmen Vorreiter bei der „Organisation von Arbeit als Repressionsinstrument“, wie es auf einer der Veranstaltungen der GES-Protestkoordination im Vorfeld der Demonstration hieß ( http://ges-ploen.blogspot.com/search/label/Archiv). Zum Schluss rief die FAU Kiel noch zu der Beteiligung an der bundesweiten Aktionswoche gegen Leiharbeit vom 18.-25. September auf ( http://www.leiharbeit-abschaffen.de/). Im Anschluss daran hielt das neu gegründete Bildungssyndikat Kiel eine Rede vor dem Bildungsministerium. In ihr wurde u.a. auf die GES Agenda „Fighting Inequality through Education“ Bezug genommen. Es wurde klargestellt, dass Ungleichheit nicht durch die fehlende Qualifikation der betroffenen Menschen, also durch sie selbst verursacht entsteht, sondern Resultat der ausbeuterischen Machtverhältnisse ist. Das GES versucht genauso wie alle Parteien bei der Bundestagswahl- denn jede stellt sich als Bildungspartei dar – nicht die Frage nach dem Besitz und der Kontrolle von Wohlstand und Produktionsmitteln hinsichtlich der Bewältigung der sozialen Krise in den Vordergrund zu richten, sondern die Menschen als noch zu defizitär an die Bedürfnisse der Ökonomie angepasst darzustellen. Um sich von den Phrasen um den Wert der Bildung nicht einlullen zu lassen, propagierte das Bildungssyndikat die Sabotage und den solidarischen Zusammenhalt gegen den Leistungsterror in Schule und Uni. Die letzte Strecke führte im einsetzenden Sonnenuntergang an der Kieler Förde entlang zum IfW. Bis zum Beginn des Regierungsviertels war der Weg gut mit Publikum gefüllt. Vor dem IfW angelangt, wurden die Eckpunkte der Kritik am GES und dem IfW im Rahmen der Abschlusskundgebung nochmals verdeutlicht. Außerdem wurde zur Teilnahme am Schanzenfest kommenden Samstag sowie den Aktionen gegen den Geburtstag des Neonazi Dreckslochs „Club 88“ in Neumünster ( http://antifanms.blogsport.de/?p=81) aufgerufen. Und natürlich zur weiteren Beteiligung an den Aktionen gegen und rund um das GES in Plön in den nächsten Tagen. Letztendlich waren die meisten TeilnehmerInnen sowie VeranstalterInnen mit der Demo trotz der zunächst enttäuschenden Größe zufrieden, da sie ein kämpferisches und inhaltsreiches Zeichen für antikapitalistischen Protest in Kiel setzte. Gehofft wird, dass in den nächsten Jahren auch Gruppen aus anderen Städten Norddeutschlands sich an der Mobilisierung und Planung der Proteste gegen die Ideologiemaschinerie des Global Economic Symposiums beteiligen.