4.Aktionstag gegen das GES Plön

Originalartikel unter Indymedia


Am Freitag, den 11.9.09., fand die Kampagne "Welcome to Reality: Abolish Capitalism- Die Ideologiemaschinerie des Global Economic Symposium" mit dem "Dezentralen Aktionstag" ihren Abschluss. Das Auftauchen von drei "Autonomen Nationalisten" der AG Kiel, völlig sinnentleerte Festnahmen von AktivistInnen sowie Pfefferspray Attacken durch die Polizei, stellten unangenehme Begleiterscheinungen dieses Abschlusses dar. Die GES-Protestkoordination wird nach einer internen Nachbereitung der gesamten Kampagne öffentlich die Diskussion über die Aktionstage und zukünftige Politik gegenüber des Gipfels suchen.
Nach den ersten militanten Aktionen im Zusammenhang mit dem GES ( http://de.indymedia.org/2009/09/259988.shtml & http://de.indymedia.org/2009/09/260174.shtml), der Demonstration am Dienstag in Kiel ( http://de.indymedia.org/2009/09/260274.shtml) zum Gipfelausrichter, dem "Institut für Weltwirtschaft", einem Infotag für die Plöner Bevölkerung am Mittwoch begleitet durch nächtliche Aktionen ( http://de.indymedia.org/2009/09/260483.shtml) sowie Vokü und Chilloutparty am Donnerstag, fand am Freitag der angekündigte "Dezentrale Aktionstag" in Plön statt. Aufgerufen hatte die GES Protestkoordination, die ihre Mobilisierung für die vier Aktionstage auch als Baustein für eine kontinuierliche antikapitalistische Praxis in der Kieler Linksradikalen versteht, sowie als Basis für breitere Proteste gegen das GES im nächsten Jahr.

Nach der zwar allgemein als inhaltlich und praktisch positiv bewerteten, aber mit knapp 150 TeilnehmerInnen nur mäßig bis schwach besuchten Demonstration am Dienstag, waren die Erwartungen an die TeilnehmerInnenzahl für Freitag nicht allzu groß gewesen. Das ca. 50 AktivistInnen dem Aufruf folgten, war in der Hinsicht nicht unbedingt enttäuschend. Mit Transparenten u.a. für globale Bewegungsfreiheit, mehreren großen und einer riesigen Schwarz-Roten Fahen und einem Megaphon zogen diese von dem schwer Polizeibewachten Bahnhof zum ersten Kundgebungsort, der Plöner Arbeitsagentur. Dort wurde in einem improvisierten Redebeitrag auf die herablassenden Praktiken dieser staatlichen Institution aufmerksam gemacht, in der Arbeitslose als Problemfaktoren, als Unfähige behandelt werden, die den Bredürfnissen der Arbeitswelt wieder angepasst werden müssen. Solch eine Ideologie, für die das GES steht, geht immer noch von einem prinzipiellen Wachstum für die Ewigkeit aus, von der Möglichkeit der Vollbeschäftigung, wobei "Beschäftigung" nicht als das wahrgenommen wird, was das Wort in vielen Fällen tatsächlich bedeutet- nämlich prekarisierte Scheißarbeit - sondern als Selbstverwirklichung und Chance zum Wohlstand. Dass diesem offensichtlichen Trugbild in der bürgerlichen Gesellschaft immer noch nachgehangen wird, liegt u.a. an genau den verklärenden Hirngespinnsten, wie sie von Think Tanks wie dem GES entworfen werdne, nämlich dass der potentielle Zustand der bürgerlichen Glückseeligkeit nur durch menschliche Irrationalität bisher verhindert wurde, die durch marktrationale Aufklärung zu besiegen sei.

Nachdem die Kundgebung, die aufgrund des "Hausrechts" des Eigentümers nicht direkt vor dem Eingang der Agentur stattfinden durfte, aufgelöst worden war, bewegten sich die Gruppen versprengt Richtung Innenstadt. Dort fanden sie wieder zusammen, um als unangemeldete Demonstration am Tagungsort Plöner Schloss und dem politischen Kirchentag vorbei zu ziehen. Der Ort der nächsten angemeldeten Kundgebung wurde erstmal links liegen gelassen, und stattdessen eine Zeitarbeitsfirma in der Hamburger Straße belagert. Hier wurde ein Transparent mit der Aufschrift "Leiharbeit abschaffen" entrollt, außerdem verteilten Aktivisten der FAU Flugblätter der bundesweiten Kampagne gegen Leiharbeit ( http://www.leiharbeit-abschaffen.de/). Ein ursprüngliches Vorhaben einiger AktivistInnen, die Räume der Leiharbeitsfirma kurzfristig zu besetzten, wurde im Anbetracht der Kräfteverhältnisse- um die Aktion herum hatte sich eine Riotpolizei Hundertschaft in Stellung gebracht- nicht eingeleitet. Bis zum Beginn der zweiten angemeldeten Kundgebung gegen den Kriegslogisten DHL zerstreuten sich die Gruppen wieder, und mischten sich v.a. unter den politischen Kirchentag, was zu einigen interessanten Begegnungen und Diskussionen führte. Auf der Kundgebung wurden dann die Arbeitsmarkt- und Expansionspolitik der deutschen Post- einem Hauptsponsoren des Gipfels- und speziell die Profitschaffung durch die Beteiligung an Kriegen durch die Deutsche Post Tochter DHL thematisiert. Es wurde auch in Frage gestellt, wie glaubwürdig die alternativen Phrasen des GES angesichts der Teilhabe solcher Großkonzerne wie der Deutschen Post, aber auch Porsche oder BASF sein könne.

Nach dem Auflösen der zweiten Kundgebung zogen die zerstreuten Gruppen zu einem angeblichen "Mahnmal" gegen Krieg am Plöner Stadtrand. Auf diesem ist zentral der Spruch "Die Opfer Mahnen uns" zu lesen, daneben ist ein deutscher Soldat zu sehen. Hier wurde verdeutlicht, dass der derzeitige Diskurs um "Frieden" ein scheinheiliger und Kriegsbegünstigender ist, dass gerade in der Krise durch die Intervention des Staates in die Ökonomie die Rüstungsindustrie ungemein ausgebaut werde, sowie dass im Land der TäterInnen ein nicht weiter kommentiertes Statement wie "Die Opfer mahnen uns" geradezu zynisch wirkt. Hier kommt die allgemeine BRD Sicht zum Ausdruck, selbst Opfer der beiden Weltkriege zu sein, die von deutschem Boden über die Menschheit getragen wurden.

Die Polizei hatte diese Aktion gar nicht auf ihrem Schirm gehabt, und reagierte um so verwunderte, als sich die Gruppen kurz darauf in der Innenstadt wieder zusammenfanden. Ziel war nun ein Reisebüro der TUI, zu der sich zu einer erneuten unangemeldeten Demonstration zusammengefunden wurde. Vor der Demo hatte sich ein Aktivist im Anzug einen anderen geschnappt, und schleppte ihn im Polizeigriff unter "heftiger" Gegenwehr zur TUI Filiale, um ihn dort "kostengünstig abschieben zu lassen". TUI verdient über eine aufgekaufte österreichische Airline durch Charterflüge, die die EU organisiert, an Abschiebung. Dies wurde auf der spontanten Kundgebung vor der TUI thematisiert, genauso wie die repressive Abschiebepolitik der EU und der BRD insgesamt. Dass dabei eine Angestellte der TUI leicht in Panik ausbrach und aus der Filiale flüchtete, war eine unangenehme Begleiterscheinung einer ansonsten gut funktionierenden Aktion. In der Situation war es leider nicht möglich, mit der Frau ins Gespräch zu kommen, und ihr zu signalisieren, dass hier keiner ihr etwas zu leide tun wollte. Hier wäre es in den nächsten Tagen angebracht, nochmals für Klarheit zu sorgen.

Nur wenige Meter weiter die Fußgängerzone entlang entdeckten einige AktivistInnen dann drei Nazis der "AG Kiel", unter ihnen der bekannte Schläger Daniel Zöllner. Nachdem die Information durchsickerte, zog die gesamte Spontandemo vor das Café, in dem die Nazis saßen; von hier aus wurde den PassantInnen, anderen Café BesucherInnen sowie dem politischen Kirchentag von der Anwesenheit der Nazis berichtet, was jedoch keine Person großartig Interessierte. Da sich alle AktivistInnen spontan und unvorbereitet in diese Situation begeben hatten, konnte leider von zielgerichtetem Handeln keine Rede sein; vielmehr standen alle eher ratlos vor den Nazis herum, die sich grinsend ihre Handschuhe anzogen und provokativ mit einem kleinen Messer rumspielten. Die OrganisatorInnen beschlossen daraufhin, die AktivistInnen zur letzten angemeldeten Kundgebung vor der Ausländerbehörde zu mobilisieren, da ein konsequentes Einschreiten gegen die Nazis sich nicht zu entwickeln schien; die Stimmung unter den AktivistInnen war im Anschluss deutlich schlechter.

Vor der Ausländerbehörde wurde noch ein Redebeitrag zur Politik dieser Einrichtung gehalten, und zur solidarischen Selbstorganisation zur Bekämpfung dieser menschenverachtenden Politik aufgefordert. Damit gingen die Aktionstage gegen das GES offiziell zu Ende. Der Anmelder der Demonstration wurde daraufhin von der Polizei angesprochen, sie wolle die AktivistInnen nun zum "Schutz" gegen mögliche Naziübergriffe "begleiten". Darauf wurde nicht weiter eingegangen- warum, sollte sich nur 100 Meter weiter in Richtung Bahnhof zeigen. Einige AktivistInnen der "Clowns Army" hatten mit Kreide (!) etwas gegenüber der Polizeiwache geschrieben- und wurden dafür recht brutal festgenommen. Die herbeieilenden Mensch, die sich mit ihnen solidarisierten, wurden von der Polizei aggressiv angegangen, zwei Menschen bekamen Pfefferspray direkt ins Gesicht gesprüht, ohne danach weiterhin ein Interesse für die Polizei darzustellen. Der Aufforderung, die Festgenommenen allein zu lassen und Richtung Banhnhof zu ziehen, wurde nicht entsprochen. Erst als alle wieder aus der Wache entlassen waren, kehrten die angereisten AktivistInnen nach Kiel zurück.

Alles in allem machten sich nach diesem Tag gemischte Gefühle breit. Das Aktionskonzept war gegenüber der massiven Polizeipräsenz insofern bis zu den Festnamen erfolgreich, als dass die Polizei keinen Überblick über das Treiben der AktivistInnen hatte, und so unangemeldete Demonstrationen und Kundgebungen durchgesetzt werden konnten. Diese waren jedoch zum Teil etwas unstrukturiert und unorganisert; die Aktion mit den Nazis war ein absoluter Reinfall. Mit mehr Beteiligung wäre natürlich auch mehr möglich gewesen- also genung Optionen fürs nächste Jahr!!!