Gegen die Totalität der herrschenden Ausweglosigkeit!


Eine Einladung nach Plön.
Moment, da war doch was…
Genau. Bei unzähligen Protesten gegen Treffen wie die G8 oder das WEF in
Davos waren doch immer ein paar Leute dabei, die von Revolution und dem
Ende des Kapitalismus redeten. Die sich weder von der miesen Realität,
noch von den Nichtregierungsorganisationen mit ihren Forderungskatalogen
und Gegenkongressen beirren ließen. Und auch das Gerede in den Medien,
von denen sie größtenteils als gewaltfanatische Psychopathen dargestellt
wurden, vermochte sie nicht verstummen zu lassen. Lautstark tönten sie
vom Einreißen der Grenzen und der Errichtung einer freien Gesellschaft.
Was ist daraus geworden? Trotz einer weltweiten Wirtschaftskrise wird
das Ende der Geschichte weiterhin ausgerufen. Da es ein anderes System
nicht gibt und deshalb auch nicht geben kann, laufen die Dinge für immer
wie gehabt weiter; und wir jeden Tag zur Arbeit, Schule, Ausbildung oder
was auch immer uns so angeboten wird. Diejenigen, die damit Probleme
haben, sind verstummt, und so geht alles - mal mehr, mal weniger
friedlich - seinen Lauf.

Nun schreiben wir das Jahr 2009, und die Welt hat sich weiter gedreht.
Viele Hoffnungen, die sich an die „neue“ Form der Gipfelproteste als
Möglichkeit gesellschaftlicher Intervention anknüpften, wurden
enttäuscht. Die Regierenden werden nicht dafür bezahlt, Angriffspunkte
zu bieten - und so suchen diese bei ihren Gipfeltreffen den zigtausend
Mal zitierten „Dialog“ mit all dem, was medial zur
„Globalisierungskritischen Bewegung“ erklärt wird. Und nur zu oft wird
allein das schon als vermeintlicher politischer Erfolg akzeptiert, den
sich die großen Organisationen der Gipfelproteste auf die Fahnen
schreiben. Abseits davon haben sich die Debatten innerhalb der radikalen
Linken weiterentwickelt. Die Kritik an einzelnen nationalen Regierungen
erscheint als zu kurz gegriffen, der einst für die Proteste so wichtige
Symbolcharakter vor allem der G8 Gipfel zerfällt unter der Last der
energisch geführten Diskussionen in seine Einzelteile.

Und doch: Geschichte wird gemacht. Es ist nicht eine mythologische, sich
„Finanzkrise“ nennende Macht, die die vor kurzer Zeit noch für unmöglich
gehaltenen gesamtgesellschaftlichen Umbrüche weltweit herbeiführt,
sondern menschliches Handeln auf Basis eines kapitalistischen
Wertesystems: Akkumulation um jeden Preis. Wir stehen vor einer
Epochenwende dieser Wirtschaftsordnung, und in der unmittelbar vor uns
liegenden Zeit wird diese neue Epoche gestaltet werden. Die
Gipfelproteste der letzten Jahre waren ein Versuch, auf die veränderten
Rahmenbedingungen eines globalen Kapitalismus zu reagieren. Diese Art
Kapitalismus erfährt nun seine große Rezession, wie es auch seinen
kolonialistischen, protektionistischen oder keynesianistischen
Vorgängern erging. Die alte Wahrheit hat also weiterhin bestand: Die
Krise ist kein Betriebsunfall, sondern als Wesenhaftigkeit dieses
Systems unvermeidbar.

Aber als genau das, als „Betriebsunfall“, verschuldet durch einige
Wenige, wird die aktuelle Krise dargestellt. Auf diese Weise wird die
Suche nach Lösungen entpolitisiert. Was in Wahrheit eine Frage der
ökonomischen Ordnung von Gesellschaften ist, wird zu einer technischen
Angelegenheit von Expertinnen und Experten verklärt. Genau hier könnte
eine linksradikale Praxis auf der Höhe der Zeit ansetzten: Bei der
Klarstellung, dass derjenige Weg aus der Krise, der zur
Aufrechterhaltung dieses Systems führt, ein fremdbestimmter sein wird;
dass der angebliche ökonomische Rationalismus, nach dessen Logik die
Weltwirtschaft umgestellt werden wird, auf den selben ausschlaggebenden
Prinzipien beruht, die in das Chaos der Realität geführt haben; dass
Gesellschaften niemals einen gemeinsamen Willen haben können, und
deshalb gesellschaftliche Fragen nicht Sache von hierarchisch agierenden
ExpertInnen, PolitikerInnen und Wirtschaftseliten sind, sondern in
Auseinandersetzungen und manchmal auch in Kämpfen gelöst werden müssen.
Dem Prinzip des größtmöglichen Profits sollten wir das Prinzip der
größtmöglichen Solidarität entgegensetzen.
Was hat das alles mit Plön zu tun?
Im August findet im Plöner Schloss zum zweiten Mal das GES statt, das
„Global Economic Symposium“. Hier kommt international zusammen, was auf
Treffen wie dem G8 Gipfel aus der 2. Reihe agiert. Das GES richtet sich
an „politische Entscheidungsträger“ und „wirtschaftliche
Führungskräfte“. Es fragt mit einer weit gefächerten Agenda stets nach
ökonomischen Lösungen im Sinne der Marktwirtschaft, gesellschaftlich
komplexe Themen werden in das Korsett der Funktionsweise der
kapitalistischen Ordnung gezwängt. So werden Konzepte erstellt, wie sich
der „Humankapital“ genannte Wirtschaftsfaktor Mensch effektiver
verwalten lässt („Globale Kontrolle – Erneuerung der internationalen
Kooperation“), wie sich das Ausmaß des Elends in der kapitalistischen
Realität auf einen für die Weltwirtschaft akzeptablen Rahmen begrenzen
lässt („Verhindern, das Nahrungspreise Armut und Mangelernährung
schaffen“, bzw. “Umwelt – Bewahren unseres natürlichen Kapitals“), oder,
ganz einfach, wie Staaten ihren Teil zur Verewigung der
Herrschaftsverhältnisse am besten beitragen können („Sicherheit – eine
sicherere Welt schaffen“).
Was sich in öffentlicher Dreistigkeit „Global Governance“ nennt,
entsteht bei solchen als eine Art temporärer Think Tank agierenden
Veranstaltungen wie dem Plöner GES. Dies allein ist durchaus ein Grund,
gegen den GES Gipfel zu demonstrieren, nur stellt sich natürlich die
Frage, ob es nicht genauso sinnvoll wäre, zu einer x-beliebigen
Parteiversammlung zu gehen. Allerdings werden auf Veranstaltungen wie
dem GES Modelle zur Regulation der Gesellschaft konkret entworfen; hier
tritt die kapitalistische Betriebslogik in ihrer ideologischen Nacktheit
zu Tage, vor der jeweiligen Umwandlung als sozialdemokratische, (neo-)
konservative, grüne oder neoliberale Version des immer gleichen
Prinzips. In diese Reihe gehört auch, dass der Glaube an die
systemimmanente Lösbarkeit aller Probleme bekräftigt wird – schließlich
braucht die bürgerliche Politik auch ihre Utopien. Und so wird in einem
Text gefragt, was der beste Weg sei, „poverty history“ zu machen. Was
schon seit dem Völkerbund der 1920’er Jahre, über die UNO, die Welt Bank
und den IWF immer wieder auf die Agenda gesetzt wird, hat zu keinem
Zeitpunkt zu einer strukturellen Bekämpfung von Armut geführt – trotz
der tausend verschiedenen Ansätze, die über die Jahrzehnte erstellt
wurden, sind Hunger und Ausbeutung weltweit treue Begleiterscheinungen
dieses Systems geblieben.
Das „Global Economic Symposium“ in Plön, das Impulse zur Erneuerung der
kapitalistischen Maschinerie sowie neue Eckpunkte für die herrschenden
Wirtschaftsideologien liefert, kann unserer Meinung nach durchaus eine
Chance darstellen, Vorstellungen, die eben im Gegensatz zu den
Lösungsvorschlägen der GES über das bestehende System hinausweisen, und
sich nicht in Forderungen oder Vorschlägen an irgendwelche
RepräsentantInnen erschöpfen, kämpferisch in die Öffentlichkeit zu
tragen. Schließlich geht es in Plön – im Gegensatz zu Regierungsgipfeln
wie den G8 – nicht um die Personalisierung von Verhältnissen durch die
MandatsträgerInnen, sondern um einen Beitrag zur globalen Ideenschmiede,
die den Kurs des Systems bestimmt. Uns ist somit eine Möglichkeit
gegeben, uns im Werfen von Sandkörnern ins Getriebe der kapitalistischen
Wirtschaftslogik zu erproben, und dabei jenseits des Regierungszirkus
unsere Kritik an den Verhältnissen zu formulieren. Dabei sollte ganz
klar artikuliert werden, dass wir in den SpezialistInnen des GES nicht
die „reine Personifikation des Bösen“ sehen, sondern wir vielmehr dieser
Demonstration der kapitalistischen Modernisierungsideologie, die einmal
mehr zu lebensverlängernden Maßnahmen am System führen soll, unsere
Absage erteilen.

Wir laden euch ein, gemeinsam mit uns zu überlegen, wie wir unseren
Protest im September zum Ausdruck bringen können!

Am 3.05.09 um 14:00 in der Alten Meierei in Kiel